Vorsicht, Inhalte! #3 – Mehr, moderne und echte Bürgerbeteiligung

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In meiner Podcast-Reihe „Horstmann hört hin“ traf ich dieses Mal Gerd Nergert zu einem Gespräch über moderne Formen der Bürgerbeteiligung in der Kommunalpolitik. Die ehrliche Beteiligung der Menschen in unserer Stadt sehe ich als eine meiner wichtigsten Aufgaben als Bürgermeister. Gerd Nergert war zwanzig Jahre für die Grünen im Rat der Stadt Warendorf und ist heute für den Verein „Mehr Demokratie“ (www.mehr-demokratie.de) aktiv. Mehr Demokratie ist die größte Nichtregierungsorganisation für direkte Demokratie in Deutschland. Im Podcast konnte Gerd Nergert auf Formen der direkten Demokratie in Deutschland und in der Welt hinweisen.

Was gibt es also für Möglichkeiten mehr, moderne und echte Bürgerbeiteiligung zu erreichen?

Die Schweiz praktiziert direkte Demokratie mit einigen Aufs und Abs bereits seit über 170 Jahren. So sind die Eidgenossen für die regelmäßig stattfindenden Volksabstimmungen weltweit bekannt. Dies funktioniert auf Bundes-, Kanton- und kommunaler Ebene erstaunlich gut. Vor allem sorgt es für eine breitere gesellschaftliche Befassung mit Politik, echte Debatten und nach den Entscheiden auch für breitere Akzeptanz der Ergebnisse.

Aber auch die vielleicht weniger bekannten Entscheidungen zur gleichgeschlechtlichen Ehe und zur Abtreibung in Irland sind hochspannend. In Irland hatte eine Bürgerversammlung aus 99 per Losverfahren zusammengestellten Bürgerinnen und Bürgern über diese für das katholische Land neuralgischen Fragen diskutiert. Die Bürgerversammlung wurde von Experten und verschiedenen Interessengruppen informiert und entschied dann parteiunabhängig über diese Einzelfragen – zur Überraschung mancher mit progressiven Ergebnissen. Am Ende des Verfahrens entschied dann jeweils das irische Volk – und schloss sich in beiden Fällen dem Votum der Bürgerversammlung an. Dies führte zum einen dazu, dass diese umstrittenen Themen befriedet wurden, zum anderen entfachte es bei den zuvor größtenteils politikfernen Mitgliedern der Bürgerversammlung Interesse an politischem Engagement.

Auch in Deutschland gibt es bereits Beispiele gelungener Bürgerbeteiligung. So wird es auf Bundesebene einen der irischen Bürgerversammlung ähnlichen Rat aus gelosten Bürgern geben (siehe: https://www.sueddeutsche.de/politik/buergerrat-bundestag-1.4941851). In einer ersten Runde soll dieser Bürgerrat Empfehlungen zu Deutschlands Rolle in der Welt erarbeiten.

In einigen deutschen Kommunen wie Weyarn, Bonn, Aislingen, wird auf kommunaler Ebene ebenfalls erfolgreich Bürgerbeteiligung praktiziert. In Bonn gibt es beispielsweise eine Bürgerbeteiligungssatzung, in welcher das Zusammenspiel zwischen Bürgerschaft und Rat institutionalisiert wird. Klares Erwartungsmanagement soll späteren Frust bei den Bürgerschaft vermeiden.

Interessant ist auch das Konzept der Mikrogutachten. Hierbei beschäftigt sich ein ebenfalls geloster Bürgerrat mit aktuellen Fragen der Kommunalpolitik. Ich glaube, dass ein solche Herangehensweise in der Frage der Brinkhaus-Brache eine wirkliche “Warendorfer Position” hätte liefern können.

Für die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der lokalen Politik ist, dass die Menschen ernsthaft beteiligt werden. Erwartungsmanagement bei allen Beteiligten und die Übereinkunft, das Ergebnis der Bürgerbeteiligung entsprechend zu beachten, ist entscheidend. So kann Bürgerbeteiligung ein echter Gewinn für die Demokratie werden. Der Rat sollte durch die Beteiligung der Bürgerschaft nicht gestört, sondern unterstützt fühlen und das Wissen der Schwarmintelligenz nutzen.

Die Form der Beteiligung kann letztlich ganz unterschiedlich gestaltet sein, vermieden werden muss allerdings, dass sich nur die „üblichen Verdächtigen“ beteiligen. Die Zusammenstellung einer durch ein Losverfahren zusammengestellten, repräsentativen Gruppe von Warendorfern halte ich gerade vor den Erfahrungen in Sachen Emsinsel als ein für Warendorf sehr interessantes Modell an.

Ich möchte mich dafür stark machen, dass sich Warendorf nach der Kommunalwahl eine “Bürgerschaftssatzung” gibt, in der die künftige Bürgerbeteiligung klar geregelt wird!

In der Stadt Detmold wurde vor kurzem die Bürgerbeteiligungssoftware Consul gestartet (siehe: https://www.mehr-demokratie.de/news/voll/erste-stadt-deutschlands-startet-beteiligungssoftware-consul/). Ich will auch für Warendorf eine Online-Plattform für einfache, digitale Bürgerbeteiligung schaffen. Denn die Hürden zur Beteiligung der Bürgerschaft sollten möglichst niedrig sein!

Den Podcast mit Gerd Nergert zum Thema Bürgerbeteiligung gibt es hier:

Viel Spaß beim Hören!

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